Im Alter von 60 Jahren erlag Roger Willemsen seinem Krebsleiden
Im Alter von nur 60 Jahren ist der Bestsellerautor und langjährige Fernsehmoderator Roger Willemsen verstorben. "Wir werden ganz schön kämpfen müssen, um ohne ihn nicht in einer Republik von Spießern zu enden", trauert Nils Minkmar bei Spiegel Online. Zahlreiche weitere Journalisten und Medien nehmen Abschied und würdigen Willemsen u.a. als den "ersten Intellektuellen im Privatfernsehen".
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Von Meedia Redaktion
„Das ist ein Tod, der schmerzt“, schreibt Lothar Müller auf
Süddeutsche.de. Denn Roger Willemsen habe auf sehr eigene Weise einer Spezies angehört, mit der Deutschland nicht im Übermaß gesegnet sei. „Er war ein public intellectual, ein öffentlicher Intellektueller, der viel reiste und in vielen Medien herumkam, im Radio Dauergast war, das Fernsehen nicht scheute und Bücher schrieb, auf Podien saß, Gala-Moderationen und Schirmherrschaften übernahm, eine hohe, große Gestalt, die manchmal zu schweben schien, aber nie die Bodenhaftung verlor“, so Müller. „Wohl weil er seine wissenschaftliche Herkunft, die philologisch genaue Erkundung von Wörterwelten, nie vergaß. Es steckte ein Gelehrter in ihm, der die Gelehrsamkeit auf die öffentlichen Plätze bringen wollte, und der große, extensive Leser, der er war, steckte auch in dem Reisenden Willemsen.“
Bei
Spiegel Online trauert Nils Minkmar um „dieses lästernde, lüsterne, krähende Genie“, das unersetzlich sei. „Alle wollten sein wie er. Schlagfertig, belesen, weitgereist, engagiert und intelligent. Und hinter der Bühne, da wollten ihn alle beschützen. Stets war er umgeben von Menschen, die ihm Gutes wollten, die alles für ihn getan hätten, weil sie wussten, das so einer nicht wieder kommt. Er schien dann unbesiegbar (…). Wir werden ganz schön arbeiten, ja kämpfen müssen, um ohne ihn nicht in einer Republik von Spießern zu enden.“
Marc Reichwein bezeichnet Roger Willemsen in der
Welt als „ersten Intellektuellen im Privatfernsehen“. Er sei verliebt gewesen in die Idee des Scheiterns und auf den Erfolg abonniert. „Wer ihn je erlebte, ob bei Veranstaltungen oder in seiner eigenen Talkshow, war begeistert von seinem beflissenen Wesen – und Wissen. Es sprühte und sprudelte ja immer nur so aus ihm heraus. Schon vor zwanzig Jahren konnte man über ihn sagen: So kluge Leute gibt’s also noch im Fernsehen.“
Willemsen habe einen Intellektuellen verkörpert, „der über die mitreißende Doppelbegabung von Schreiben und Reden verfügte – beides im Zweifel so komplex, wie es das jeweilige Thema erfordert“, so Gregor Dotzauer im
Tagesspiegel. „Dieser Mann hatte offenbar viele Seiten, die nicht im weichgespült Telegenen aufgehen wollten (…). Es war, so gern er sich in Talkshows präsentierte, aber auch die Last, die ihn als Schriftsteller beschwerte. Weil er ganz aus der medialen Mitte der Republik herausschrieb und von den potentesten Redaktionen eingeladen wurde, bemerkten vielleicht nur die Wenigsten, dass sein Blick von der Seite kam. Da war nichts glatt und beschönigend, es wurde sogar von Jahr zu Jahr radikaler in der Genauigkeit der Wahrnehmung. Als Autor, Filmemacher, Moderator und Medienkleinunternehmer war er so unermüdlich wie unstetet: jemand, der sie Schnelligkeit seines Denkens mit allem, was ihm zur Verfügung stand, überholen wollte – schon im Sprechen.“
Matthias Kalle, Willemsens Redakteur beim Zeitmagazin,
erinnert sich an die Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahre: „Roger Willemsen war immer zu früh dran. Wenn man mit ihm einen Abgabetag für seine Kolumne vereinbart hatte, zum Beispiel einen Freitag, dann schickte er den Text bereits Donnerstag, manchmal auch Mittwochabend, obwohl er sich vorher sicher war, dass er den Freitag in keinem Falle schaffen würde. ‚Montag‘, schrieb er dann manchmal in einer seiner Mail, ‚frühestens.‘ Ach, und wenn es erst am Dienstag gewesen wäre. Manche nannten ihn einen Intellektuellen – er machte sich Gedanken zu allem und nannte als seinen Beruf ‚Autor‘. In seiner Jahreszeitenkolumne folgte Fußball auf Weltpolitik auf Castingshows. Das Weltgeschehen dreier Monate auf 8.000 Zeichen. Und immer zu früh. Und immer genau richtig. Und nun nie wieder (…). Am 8. Februar 2016 ist Roger Willemsen gestorben. Es ist, wie immer, zu früh.“